Von Pflanzen und Bienen
Die 10 Jahreszeiten des phänologischen Kalenders
Vier Jahreszeiten kann jeder! Bienen folgen ihrem eigenen Kalender von ganzen zehn Jahreszeiten. Der sogenannte phänologische Kalender beschäftigt sich mit jährlich wiederkehrenden Erscheinungsformen in der Natur. Angezeigt werden die verschiedenen Jahreszeiten von Knospenbildung, Blüte und dem Reifen von Früchten. Carl von Linné, der Gründungsvater des phänologischen Kalenders, hat die verschiedenen Phänomene über Jahre hinweg beobachtet und festgehalten.
Pflanzenbeobachtung zur Datenerhebung
Wie schon zu Linnés Zeiten beruht die Erfassung der Phänologie auch heute noch auf Beobachtungen. Dazu stehen dem Deutschem Wetterdienst ehrenamtliche Beobachter zur Seite. Mithilfe einer ausführlichen Anleitung notieren die Pflanzenbeobachter - darunter Naturliebhaber, Idealisten, aber auch beruflich prädestinierte Menschen - die geforderten Daten. Natürlich werden sie dabei von Mitarbeitenden der Agrarmeteorologie betreut und durch weitere Anleitungen, beispielsweise zur Aufnahme von Habitus-Fotos, unterstützt. Dabei ist bei diesen Fotos jede Phase des Entwicklungsstadiums einer Pflanze dargestellt. Als Belohnung für die freiwillige Arbeit bekommen die Helfer sogar eine Aufwandsentschädigung von 250 €. Der Deutsche Wetterdienst sucht auf seiner Webseite laufend nach neuen Ehrenamtlichen, die sich gerne der Naturbeobachtung widmen möchten.
Die 10 Jahreszeiten des phänologischen Kalenders
Um die Jahreszeiten des phänologischen Kalenders besser bestimmen zu können, legte man bestimmte Zeigerpflanzen fest. Aufgrund der unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse sowie der Bodenbeschaffenheit variieren die Pflanzen je nach Land und Region. Auch in Deutschland ist die Flora sehr vielfältig, weshalb neben den gewöhnlichen Zeigerpflanzen für einige Regionen Ersatzzeigerpflanzen festgelegt wurden.
Vorfrühling - Das große Erwachen
Mit dem Vorfrühling beginnt der phänologische Kalender. Die Blüte der Hasel, die sich je nach Standort von Mitte Februar bis Ende März zeigt, läutet die erste Jahreszeit ein. Ob die Blüte des Nusstrauchs bereits eingetreten ist, lässt sich ganz einfach feststellen: Rüttelt man an den Ästen oder schnippt mit den Fingern gegen die länglichen Kätzchen, dann sollten diese stäuben.
Wenn die Temperaturen warm genug sind, erwachen zusammen mit der Hasel auch die Bienen aus ihrer wohlverdienten Winterpause. Langsam aber stetig wird die Brutaktivität wieder aufgenommen und die Königin beginnt mit der ersten Eiablage. Um die Infektionsgefahr im Stock zu verringern, halten die stubenreinen Tiere während des Winters ein. Im Frühjahr können die Bienen dann endlich ihren Reinigungsflug antreten. Nachdem der unnötige Ballast abgeworfen wurde, begeben sich die fleißigen Sammlerinnen auf Erkundungstour und holen den ersten Pollen und Nektar von Frühblühern wie der Salweide ein.
Erstfrühling - Nachwuchs im Bienenstock
Den Erstfrühling läutet die Blüte der Forsythie am Ende des Monats März ein. Während der gelbblühende Zierstrauch für uns eine wahre Augenweide ist, hat er für Bienen leider keinen Nutzen. Denn die Pflanze liefert ihnen weder Pollen noch Nektar. Doch keine Sorge: Pflanzen wie der Löwenzahn, Winterraps oder die Süßkirsche sichern den Bienen ein reichliches Nahrungsangebot. So steht der Aufzucht der Brut also nichts mehr im Wege. Wenn besonders viele Bienen geschlüpft sind, wird der gesammelte Pollen sofort in Larvenfutter umgewandelt. Außerdem wird um die Brut herum ein Pollenkranz gebildet, der zuerst verbraucht wird. So kann sich das Brutnest immer weiter ausbreiten oder verändern.
Vollfrühling - Abschied der alten Königin
Auf den Erstfrühling folgt der Vollfrühling, der in der Regel Ende April mit der Apfelblüte beginnt. Sie ist eine der ältesten Phasen im phänologischen Beobachtungsprogramm.
Inzwischen herrscht im Bienenstock Aufbruchsstimmung: Die Schwarmzellen, aus denen die zukünftige Königin schlüpfen wird, sind bereits angelegt und dafür nehmen Bau- und Bruttätigkeiten vorerst ab. Pünktlich zwischen 10 und 13 Uhr vor dem Schlupf der Jungkönigin verlässt die alte Königin mit einem Teil ihres Gefolges aus dem Altvolk den Bienenstock. Erst wenn die junge Königin begattet wurde, wird die Bruttätigkeit vom verbleibenden Teil des Altvolks wieder aufgenommen.
Frühsommer - Tracht und Honig zu Genüge
Endlich wird es wärmer! Mit der weißen, leicht-gelblichen Blüte des Schwarzen Holunders kündigt sich am Ende des Wonnemonats Mai der Frühsommer an. Inzwischen hat sich das Jungvolk prächtig entwickelt und der Imker konnte vermutlich schon die erste Honigernte eintragen. Besonders im Frühsommer gibt es ein gut anhaltendes Trachtangebot, das die Bienen zu Genüge nutzen. Dabei steht vor allem die Robinie hoch im Kurs. Zur gleichen Zeit wird im Bienenstock der Wabenbau kräftig vorangetrieben. Der eingetragene Nektar dient ihnen als wichtiger Energielieferant, denn die Wachsherstellung für die Waben stellt einen enormen Kraftaufwand für die Bienen dar. Gleichzeitig wird mit der Einlagerung der ersten Nahrungsvorräte schon mal fleißig für den Winter vorgesorgt.
Hochsommer - Der Höhepunkt ist überschritten
Nicht nur mit genügend Nahrungsreserven bereiten sich die Bienen auf den Winter vor. Blüht Mitte Juni die Sommerlinde, ist das zum einem ein Zeichen für den Hochsommer, zum anderen sind für die Drohnen harte Zeiten angebrochen. Das Bienenvolk hat seine größte Stärke erreicht und das Nahrungsangebot nimmt langsam ab, deshalb fürchten die Bienen, mit den bereits eingelagerten Reserven nicht über den Winter zu kommen. Da die Königin bereits begattet wurde, wird kein Drohnenbau mehr angelegt. Auch die Verpflegung der männlichen Bienen nimmt langsam ab - erste Anzeichen dafür, dass die alljährliche Drohnenschlacht vor der Tür steht. Denn nur so können genügend Vorräte für den Winter gesichert werden.
Spätsommer - Die Drohnenschlacht beginnt
Happy New Year! Werden die Tage nach der Sommersonnenwende wieder kürzer, starten die Bienen laut einiger Imker in ein neues Jahr. Die kommenden Wochen sind entscheidend, wie das Volk in den Winter geht. Angezeigt wird das Bienenjahr - und somit der Spätsommer - durch die Fruchtreife der scharlachroten Beeren der Eberesche, die Anfang August erreicht ist. Während zu dieser Jahreszeit noch einige Trachtpflanzen wie die Sonnenblume oder der Lavendel blühen, sind bei den Bienen die Wintervorbereitungen in den letzten Zügen. Die übrigen Drohnen werden gewaltsam aus dem Bienenstock verbannt, die Bruttätigkeit wird eingeschränkt und die Sommerbienen werden langsam, aber stetig durch die langlebigen Winterbienen ersetzt.
Frühherbst - Ein Stock wird winterfest
Ende August ist es meist noch gar nicht so kalt. Trotzdem beginnt mit der Fruchtreife des Schwarzen Holunders, mit dessen Blüte wir den Frühsommer begrüßen durften, für die Bienen der Frühherbst. Zu dieser Jahreszeit schlüpfen fast ausschließlich Winterbienen. Wie viel noch gebrütet wird, hängt davon ab, ob das Ziel eines Bienenstocks, mit 10.000 Bienen zu überwintern, schon erreicht wurde. Generell nimmt die Volksstärke zu dieser Jahreszeit allerdings ab. Ist noch nicht genügend Wintervorrat vorhanden, wird dieser mit Nektar und Pollen der letzten Spätblüher aufgefüllt. Außerdem wird der Wabenbau eingeschränkt. Höchste Priorität hat nun, den Stock winterfest zu machen. Dazu verwenden die Bienen das Kittharz Propolis, mit dem sie Risse und Fugen im Bienenstock reparieren.
Vollherbst - Die Brut geht zurück
Sind Mitte September die Früchte der Stieleiche reif, befinden wir uns im Vollherbst. Die Population im Bien sinkt immer mehr, da nicht alle der abgehenden Sommerbienen durch die frisch geschlüpften Winterbienen ersetzt werden konnten. Zudem macht die Kälte dem Volk zu schaffen. Weil Aufwand und Futterverbrauch zu hoch sind, um die Brut weiterhin anständig ernähren zu können, nimmt mit Hereinbrechen der ersten frostigen Nächte das Brutgeschäft zunehmend ab. Sinken die Außentemperaturen auf weniger als 14 °C, sammeln sich die Bienen in einer Traube, um Wärme für den Brutbereich zu spenden. Diese ist allerdings noch ziemlich locker und löst sich tagsüber meist wieder auf.
Spätherbst - Kuschelnd in die kalte Jahreszeit
Nach dem Vollherbst folgt der Spätherbst. Erstrahlen die Blätter der Stieleiche ab Mitte Oktober in den buntesten Farben, gibt uns das Aufschluss darüber, dass die vorletzte Jahreszeit des phänologischen Kalenders angebrochen ist. Bei den Bienen kehrt Ruhe ein und die Brutaufzucht nimmt, wie schon in den vorangegangenen Jahreszeiten, immer weiter ab. Außerdem kommen viele alte und kranke Bienen nicht mehr von ihren späten Ausflügen zurück. Aufgrund der zunehmenden Kälte wird die Wintertraube immer enger. Die Bienen positionieren sich nun in mehreren Schichten, um die bestmögliche Isolation nach außen zu garantieren. Das dient zum einem als Heizung, andererseits soll dadurch der Futterverbrauch minimiert werden. Überlebenswichtig ist dabei, wie viele Bienen für die äußere Isolationsschale zur Verfügung stehen, da vor allem schwächere Bienen in der kältesten Schicht der Wintertraube oft erfrieren.
Winter - Ruhe kehrt ein
Mit dem Nadelfall der Lärche beginnt Anfang November die längste Jahreszeit im phänologischen Kalender: der Winter. Die Vegetation geht zurück und Trachtpflanzen sind nunmehr nicht zu finden - genauso wie die Bienen. Die befinden sich immer noch in der Wintertraube. In der kalten Jahreszeit geht die Brutaufzucht kontinuierlich zurück. Folgen mehrere frostige Nächte aufeinander, wird sie vorübergehend sogar ganz eingestellt, sodass das Bienenvolk nach dem Frost erstmal brutfrei bleibt. Für Imker ist das der perfekte Zeitpunkt, um mit der Varroa-Behandlung zu beginnen.
Von falschen Frühlingsboten und ausbleibenden Trachten: Die Tücken des Klimawandels für Bienen
Frühlingshafte Temperaturen im Winter und lange, heiße Sommer? Nicht nur bei uns Menschen sorgt der Klimawandel für Verwirrung. Auch den phänologischen Kalender und damit die Bienen bringt er ganz schön durcheinander. Denn die veränderten Temperaturen beeinflussen auch die Blütezeiten der Zeigerpflanzen. Durch immer mildere Winter setzt die Blüte der Hasel viel früher ein und täuscht den Bienen einen verfrühten Vorfrühling vor. Durch den zeitigen Vegetationsbeginn ist besonders bei den eigentlich sehr anpassungsfähigen Honigbienen die Volksentwicklung oft noch nicht so weit, dass sie das bereits vorhandene Nektar- und Pollenangebot ausreichend nutzen können. Aber auch bei oligolektischen Wildbienenarten, die sich nur von bestimmten Pflanzen ernähren, kann das dramatische Folgen haben. So schätzen die Bienen den Frühlingsverlauf falsch ein und schlüpfen, bevor ihre Nahrungsquellen überhaupt zur Bestäubung bereit sind. Oder das gegensätzliche Szenario tritt ein: Die Bienen fliegen erst aus, nachdem die Pflanzen, auf die sie sich spezialisiert haben, schon verblüht sind.
Neben dem Frühling beginnt auch der Frühsommer häufig bereits viel früher als eigentlich üblich. Fliegen die Bienen aus, haben sie einige der großen Trachtquellen oft schon verpasst und finden verhältnismäßig wenig Pollen und Nektar. Durch die weitreichenden Verschiebungen der Phänologie, die sich für ganz Deutschland abzeichnen, beginnt auch der Frühherbst immer zeitiger. Das Resultat: kurzer Winter, langer Frühling und Herbst. Gleichzeitig machen die zunehmenden Extremwetterereignisse wie Überflutungen oder Dürren den Insekten zu schaffen.
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Das Bienenjahr ist sehr vielfältig, rund um Zeigerpflanzen, Arbeiten am Bienenvolk und den Aktivitäten der Bienen gibt es noch so viel mehr zu wissen. Ute Schneider-Ritter und Wolfgang Ritter erläutern in ihrem Buch "Das Bienenjahr - Imkern nach den 10 Jahreszeiten der Natur". erschienen im Ulmer Verlag, die wichtigsten Eigenschaften der Zeigerpflanzen in Deiner Region und berichten über die Imkerei ganz nach dem Rhythmus der Natur und der Bienen.