Wanderimkerei in Rumänien
Mit Bienen um die Welt
Honig ist seit jeher ein begehrtes Gut: Schon Höhlenmalereien, die auf die Zeit zwischen 10.000 und 6.000 v. Chr. datiert werden, zeigen wie Steinzeitmenschen ein Bienennest ausrauben, um an den süßen Honig zu kommen. Mit der Sesshaftwerdung der Menschen entwickelte sich auch die Bienenhaltung, die für beide Seiten Vorteile mit sich brachte: Während die Biene Schutz und Pflege erhielt, kam der Mensch im Gegenzug einfacher an den leckeren Honig.
Über die Zeit hinweg haben sich unter den verschiedensten natürlichen Gegebenheiten und kulturellen Hintergründen einzigartige Imkereipraktiken entwickelt, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Wie wird Bienenhaltung also in anderen Ländern betrieben? Altbewährte Imkerraditionen, neue Trends bei der Bienenhaltung, spannende Kuriositäten oder sogar lebensgefährliche Honigernten - wir nehmen Dich mit auf eine spannende Reise rund um die Welt. Heute: Rumänien.
Länderfakt
In Rumänien wandern Imker mit ihren Bienen von Tracht zu Tracht.
Steckbrief
Land: Rumänien
Klima: westlich der Karpaten gemäßigt, östlich der Karpaten kontinental
Heimische Honigbiene: Westliche Honigbiene (Apis mellifera)
Trachtpflanzen: Robinie, Raps, Sonnenblume, Linde
“Biene” in der Landessprache: albina
“Honig” in der Landessprache: miere
Kleines Land, große Vielfalt
Weit entfernt vom Trubel der Hauptstadt Bukarest scheint im ländlichen Rumänien die Zeit stillzustehen. Pferdefuhrwerke, mittelalterliche Städte und unberührte Landschaften fernab lassen den ein oder anderen Besucher in Nostalgie verfallen. Beeindruckend ist auch die abwechslungsreiche Natur des südosteuropäischen Landes. Mitten durch Rumänien verläuft der Karpatenbogen: Die Landschaft rund um die Gebirgskette ist kaum besiedelt und geprägt von zahlreichen Nadel- und Mischwäldern sowie artenreichen Wiesen. Neben dem südlichen Karpatenbogen liegt Siebenbürgen, das mit einer vielfältigen Flora und Fauna beeindruckt. Die letzten Urwälder Europas, in denen sogar noch Bären und Wölfe zu finden sind, erstrecken sich über diese Region. Doch auch das Biosphärenreservat am Donaudelta, die wilde Walachei oder das ursprüngliche Maramuresch bestimmen die einzigartige Naturkulisse des Landes. Und wenn Dich jetzt die Wanderlust gepackt hat, bist Du nicht alleine: Ab Mai begeben sich jedes Jahr zahlreiche Imker mit ihren Bienenvölkern auf eine große Reise durch das Land.
Auf Wanderschaft mit Bienen
Die abwechslungsreiche Naturlandschaft Rumäniens bringt ein vielfältiges Trachtangebot mit sich. Um hier aus dem Vollen zu schöpfen, begeben sich deshalb viele Imker mitsamt ihren Bienenvölkern auf Wanderschaft durch das ganze Land und reisen den Trachten hinterher. Damit die Reise zum Ende des Frühjahrs beginnen kann, müssen erstmal wichtige Vorbereitungen von den Imkern getroffen werden. Die Wandervölker werden zum Beispiel mit Brutwaben aus schwächeren Völkern verstärkt und die Böden der Magazinbeuten, die durch das ständige Auf- und Abladen jedes Jahr stark beansprucht werden, auf Mängel überprüft und wenn nötig repariert. Ist alles stabil können die Beuten auf dem fahrbaren Untersatz aufgeladen werden. Abhängig von der Anzahl an Bienenvölker kann dieser stark variieren: Vom einfachen Pferdefuhrwerk, kleineren Wägen bis hin zum großen Sattelschlepper ist alles dabei.
Transportiert werden die Bienenvölker bei Nacht. Das dient nicht nur der Stressreduktion, sondern soll vor allem im Sommer eine Überhitzung der Völker vermeiden. Der Imker wartet also die Abenddämmerung ab, denn dann kehren auch die letzten Bienen von ihren täglichen Sammelausflügen zurück. Dann verschließt er die Fluglöcher und sichert die übereinander gestapelten Beuten mit Zurrgurten auf seinem Wagen - jetzt kann die Reise losgehen!
Die Route der Blüten: Robinie, Linde, Sonnenblume
Die Robinienblüte in den Wäldern rund um die Ortschaft Desa, an der Grenze zu Bulgarien, ist für die meisten Imker der erste Halt auf ihrer langen Reise durch das Land. Angekommen am vorübergehenden Zielort werden die Beuten abgeladen und die Bienen dürfen Pollen und Nektar der weißen Blüten genießen. Meist bleiben die Imker mit ihren Bienenvölkern mehrere Wochen an einem Standort - bis das Trachtangebot erschöpft ist oder der erste Honig geschleudert werden kann.
Weiter geht die Reise nach Norden in die Maramuresch, die mit blühenden Landschaften aus Wildkirsche, Blumenwiesen und Süßgräsern lockt. Ein Highlight für viele Imker ist die Lindenblüte am Donaudelta, einem der größten Lindenwälder Europas. Dort treffen die Bienenhalter in Scharen ein und freuen sich mindestens genauso sehr über die Pflege alter Freundschaften und den kollegialen Austausch unter Imkern, wie über den Lindenblütenhonig mit seinem mentholartigen Geschmack.
Mit dem Besuch der Sonnenblumenfelder am Schwarzen Meer neigt sich die monatelange Reise quer durch Rumänien im Spätsommer dem Ende zu. Anschließend kehren die Imker mit ihren Bienen nach Hause zurück und ihre Völker dürfen sich nach dem langen Abenteuer in die verdiente Winterruhe begeben.
Von Bienenweiden zum Bienensterben?
Leider hat das Bienensterben auch in Rumänien Einzug gehalten. Denn auch dort, wo die Welt noch in Ordnung zu sein scheint, werden traditionelle kleinbäuerliche Betriebe zunehmend von der aufstrebenden Agrarindustrie und ausländischen Landwirtschaftsunternehmen abgelöst. Das ernüchternde Resultat: Monokulturen und Pestizideinträge nehmen zu und treiben das Bienensterben voran. Für die Wanderimker ist das ein großes Problem, da besonders Trachten wie Sonnenblume oder Raps durch die Verteilung von chemischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln verunreinigt werden. Für Bienenhalter, die von diesen Trachten abhängig sind, ist das ein wirtschaftliches Desaster.
Einige kleine Erfolge gibt es zu verzeichnen: Innerhalb der letzten Jahre wurde die bestehende Notfallzulassung für drei Neonicotinoide für Rumänien von der EU-Kommission aufgehoben. Obwohl dadurch ein Aufwärtstrend erkennbar ist, muss deutlich mehr dafür getan werden, damit die Bienen wieder unbeschwert über die rumänische Landschaft fliegen können.