Stachellose Bienen in Brasilien

Mit Bienen um die Welt

Stachellose Wildbienen in Brasilien

Honig ist seit jeher ein begehrtes Gut: Schon Höhlenmalereien, die auf die Zeit zwischen 10.000 und 6.000 v. Chr. datiert werden, zeigen wie Steinzeitmenschen ein Bienennest ausrauben, um an den süßen Honig zu kommen. Mit der Sesshaftwerdung der Menschen entwickelte sich auch die Bienenhaltung, die für beide Seiten Vorteile mit sich brachte: Während die Biene Schutz und Pflege erhielt, kam der Mensch im Gegenzug einfacher an den leckeren Honig. 

Über die Zeit hinweg haben sich unter den verschiedensten natürlichen Gegebenheiten und kulturellen Hintergründen einzigartige Imkereipraktiken entwickelt, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Wie wird Bienenhaltung also in anderen Ländern betrieben? Altbewährte Imkerraditionen, neue Trends bei der Bienenhaltung, spannende Kuriositäten oder sogar lebensgefährliche Honigernten - wir nehmen Dich mit auf eine spannende Reise rund um die Welt. Heute: Brasilien.

Länderfakt

In Brasilien stammt Honig meist von stachellosen Wildbienen, den Meliponen.

Steckbrief

Land: Brasilien
Region: Amazonas
Klima: tropisch, schwül
Heimische Honigbienenarten: Afrikanisierte Honigbiene oder Ostafrikanische Hochlandbiene (Apis mellifera scutellata)
Häufige Wildbienenarten: Melipone
Trachtpflanzen: Mango, Maracuja, Sternfrucht, Cashewbaum 
“Biene” in der Landessprache: abelha

Amazonasgebiet Brasilien

Die zwei Jahreszeiten des Regenwaldes

Umgeben vom tropischen Regenwald im Norden Brasiliens herrscht im Amazonasgebiet ein ganz besonderes Klima: Charakteristisch hierfür sind Temperaturen, die im Jahresverlauf nur geringen Schwankungen unterliegen und sich meist zwischen 22 und 33°C bewegen. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Menschen in der Amazonasregion ihr Leben weniger nach Jahreszeiten, sondern mehr nach Trocken- und Regenzeiten ausrichten. Während die Trockenzeit in den Monaten Juli bis September auftritt, dominiert die Regenzeit die Wettergeschehnisse von Januar bis Mai. 
Dieser stetige Wechsel der Wetterextreme ist nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Pflanzen im Amazonasgebiet eine Herausforderung. Die Anpassung an die beiden verschiedenen Ökosysteme verlangt ihnen einiges ab. Doch Rettung naht: Um den Schutz vor Krankheiten zu gewährleisten und gleichzeitig für genetische Vielfalt zu sorgen, spielt eine außergewöhnliche Bienenart eine ganz besondere Rolle: die Melipone.

Meliponen

“Stachellose” Honigsammlerinnen

Von den sieben verschiedenen Honigbienenarten ist in Brasilien eine Unterart der Westlichen Honigbiene (Apis mellifera) besonders verbreitet. Es handelt sich dabei um die Afrikanisierte Honigbiene (Apis mellifera scutellata). Sie ist aus einer Kreuzung der Afrikanischen und der Europäischen Honigbiene entstanden und wird wegen ihrer hohen Honigproduktion gerne von südamerikanischen Imkern gehalten. 

Honigbienen auf Waben

Verschiedene Arten der Honigbiene

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Für die Imkerei im Amazonasgebiet sind aber die “kleinen” Schwestern der Honigbiene viel bedeutender: die Meliponen. Allein in den tropischen Regionen der Erde sind ca. 580 Arten dieser stachellosen Bienen verbreitet - 120 davon leben im Amazonasgebiet. Doch nicht nur ihre große Familie, sondern auch die geringe Körpergröße ist ein charakteristisches Merkmal der Melipone. Im Gegensatz zur Honigbiene, die ca. 10-15 mm groß wird, erreichen die meisten Meliponenarten lediglich eine “Größe” von 2-3 mm. 
Mittlerweile wurden die Meliponen in vielen Regionen des Amazonasgebiets teildomestiziert und produzieren für die dort lebenden Menschen würzigen Honig. Doch nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Pflanzen des Regenwaldes leisten die Meliponen so einiges. Robust gegen die ungünstigen Wetterverhältnisse der Tropen fliegen die stachellosen Schönheiten von Pflanze zu Pflanze und sichern durch ihre Bestäubungsleistung die Artenvielfalt im Regenwald. Dort machen sie den größten Anteil bestäubender Insekten aus. In einzelnen Fällen konnte sogar schon beobachtet werden, wie Meliponen Pflanzensamen gezielt transportiert haben und so maßgeblich an der Verbreitung bestimmter Baumarten beteiligt waren.

Beuten der Meliponen

Bienenhaltung in Schuhkartongröße

Die Behausungen der Meliponen sind perfekt auf die Größe ihrer Bewohner abgestimmt. Die kleinen Holz- oder Bambuskästen sind oft nur einen halben Meter groß und extrem platzsparend. Zusätzlich sind sie ziemlich praktisch: Zum Schutz vor der tropischen Feuchtigkeit und ungebetenen Gästen wie Echsen oder Spinnen werden die kleinen Holzkisten direkt an der Hauswand angebracht. Werden sie für Imkerarbeiten benötigt, können sie ganz einfach wieder abgenommen werden. Auch das Innenleben der Beuten unterscheidet sich deutlich von dem der Honigbienen. Im Gegensatz zu ihren domestizierten Verwandten schichten die Mini-Bienen ihre Waben horizontal statt vertikal übereinander. Diese haben zudem nicht die typische sechseckige Form, sondern ähneln eher kleinen Honigtöpfen. Im Aufbau ist die Miniaturbeute den modernen Magazinbeuten jedoch sehr ähnlich, denn auch hier gibt es Boden, Zargen und Deckel und eine Aufteilung in Brut- und Honigraum.
Aufwendig ist die Meliponenhaltung nicht. Mühsame Arbeiten wie die Schwarm- oder Weiselkontrolle sowie Eingriffe ins Brutnest entfallen bei den halb-domestizierten kleinen Bienen. Auch auf Investitionen wie Schutzanzüge, Wachsmittelwände oder Rähmchen können die Imker im Amazonasraum getrost verzichten. Kein Wunder also, dass die Meliponen dort so beliebt sind. Sollen die Honigtöpfe der Meliponen entleert werden, kann das aber schon mal etwas anstrengender sein, da sich für dieses Verfahren noch keine professionelle Technik etabliert hat. Daher wird jede einzelne geschlossene Honigzelle vom Imker angestochen und das flüssige Gold mittels einer Kanüle oder Pipette in Flaschen und Gläser abgefüllt. Zur Klärung der letzten Wachsreste aus dem Honig, wird er noch einige Tage stehen gelassen. Danach kann der Imker mit der Befüllung der Gläser für den Verkauf loslegen. 
Obwohl die Honigernte der Mini-Bienen nie besonders ertragreich ist, ist ihr flüssiges Gold etwas ganz Besonderes. Das Aroma des brasilianischen Regenwaldes ist mit dem Honig unserer Bienen nicht vergleichbar: Die exotische Leckerei ist eine echte Delikatesse, der sogar medizinische Wirkungen nachgesagt werden.

Fliegende Bienen der Art Melipone

Der Wert der Melipone

Der Regenwald ist die grüne Lunge unserer Erde und die Meliponen sind maßgeblich an der Pflege dieses Ökosystems beteiligt. Obwohl die kleinen Bienen nur geringe Honigerträge abgeben, sind sie essentiell zum Erhalt der tierischen und pflanzlichen Diversität in der Regenwaldregion. Doch durch die zunehmende Entwaldung ist nicht nur der Lebensraum der Melipone stark gefährdet, sondern auch die sogenannte “Klimaanlage” unserer Erde.  Aber auch wir in Europa bekommen die Auswirkungen des Waldsterbens in den Tropen früher oder später zu spüren. Der Verlust des Waldes bedeutet einen enormen Anstieg von Kohlenstoffdioxid in unserer Atmosphäre, was wiederum die Klimaerwärmung immer weiter vorantreibt. Um genau das zu verhindern, ist die Haltung der Meliponen und deren Pflege so wichtig. Denn geht es den Meliponen gut, so geht es auch dem Regenwald gut.

Ein Beitrag von Sarah von nearBees
vom 05.07.2022
aus der Serie „Mit Bienen um die Welt“