Die Symbolik der Biene (Teil 2)
Was Bienen mit Freiheit, Demut und Reinheit zu tun haben
Freiheit und Demut
Das Wissen um die komplexen Abläufe und die gegenseitige Abhängigkeit innerhalb des Bienenstaates setzte sich erst während des vergangenen Jahrhunderts durch. Zuvor wurde beispielsweise angenommen, das Oberhaupt des Bienenstaats sei ein männlicher König, umgeben von einem ihn versorgenden und beschützenden Harem. So schrieb der heilige Ambrosius, der Schutzpatron der Imker, über die Struktur im Bienenstaat:
und wenn sie auch einem König unterstellt sind, sind sie trotzdem frei.
Ambrosius von Mailand
Ausgehend von diesem Blickwinkel lassen sich zwei weitere Bereiche erklären, in denen die Bienen immer wieder zur Veranschaulichung herangezogen wurden. Denn nicht nur Göttlichkeit lies sich mit ihrer Hilfe symbolisch darstellen, sondern auch weltliche Herrschaft.
Die ersten Könige, die sich mit der Biene als Herrschaftssymbol schmückten, waren die Pharaonen des alten Ägyptens. Doch auch in jüngeren Monarchien war die Biene ein gebräuchliches Symbol, das unter anderem für die bedingungslose Treue der Untertanen stand.
So entschied sich Napoleon auf der Suche nach einem eigenen heraldischen Symbol sowohl auf Grund ihrer Ähnlichkeit zur Lilie der Bourbonen als auch auf Grund ihrer eigenen herrschaftlichen Bedeutung für die Biene.
Etwa zur gleichen Zeit, jedoch einer konträren Aussage dienend, nutzte Lev Tolstoi das Bild des weisellosen (:= Bezeichnung für das Fehlen der Königin) Bienenschwarms in seinem Meisterwerk Krieg und Frieden. Denn ohne Anführer sei eine Gemeinschaft auf lange Sicht nicht überlebensfähig:
In einem weisellos gewordenen Bienenstock ist kein Leben mehr, obwohl er bei oberflächlicher Betrachtung ebenso lebendig erscheint wie andere. […] Wenn der Imker an die Wand des kranken Korbes klopft, so vernimmt er nicht die frühere sofortige, gemeinsame Antwort, den zischenden Ton vieler Tausende von Bienen, […] sondern es antwortet ihm nur ein vereinzeltes Summen, das dumpf an verschiedenen Stellen des öde gewordenen Korbes erschallt. Aus dem Flugloch strömt nicht wie früher der aromatische Geruch des Honigs und des Giftes, auch nicht die Wärme, die durch das Vollsein erzeugt wird; sondern mit dem Geruch des Honigs vereinigt sich ein Geruch nach Leere und Fäulnis.
Tolstoj, Lev (1992): Krieg und Frieden
Denn der Bienenschwarm gilt nicht nur als Sinnbild einer konstitutionellen Monarchie oder einer Republik unter gewählter Führung, auch in der Demokratie oder im Sozialismus bediente man sich der Symbolkraft der Bienen.
Der emsige Arbeitsrhythmus und das selbstlose Zusammenleben der Bienen ist daher, durch die Epochen, immer wieder als anzustrebendes Modell für menschliche Gesellschaften angepriesen worden. So beschrieb der linke Schriftsteller Emile Zola die Utopie des perfekten Zusammenlebens folgendermaßen:
Eine Stadt, eine Gemeinschaft war nur noch ein großer Bienenkorb, in dem es keinen einzigen Untätigen gab, in dem jeder Bürger seinen Teil zu der Gesamtarbeit beisteuerte, deren die Gesellschaft zu ihrer Existenz bedurfte.
Emile Zola
Reinheit und Fruchtbarkeit
Weitere Attribute, die der Biene im Laufe der Jahrhunderte zugeschrieben wurden, sind Reinheit und Fruchtbarkeit. Wie die Menschen Erklärungen für die Entstehung der Bienen und die Gründe für ihr geregeltes Zusammenleben suchten, so versuchten sie auch ihre Fortpflanzung zu verstehen. Da die Begattung der Königin jedoch nur ein einziges Mal zu Beginn ihres Lebens (und im Geheimen, außerhalb des Bienenstocks) stattfindet, schienen die Bienen sich einer göttlichen Empfängnis gleich, ohne Beischlaf zu vermehren.
Die Verbindung zur jungfräulichen Mutter Maria scheint daher verständlich denn "da die Bienen weder Beischlaf noch Gebären kennen, gelten sie als jungfräulich und keusch. [...] Das Lob der Biene ist zugleich ein Lob Mariens und damit des Mysteriums der Menschwerdung Christi".
Und so ist nicht verwunderlich, dass die Biene besonders im Christentum für die „Verkörperung der idealen Frau: fleißig, ordnungsliebend, rein und keusch“ stand.
Etwas konträr zu dieser wiederholten, gar göttlichen Überhöhung mutet ein weiterer Bereich an, in dem die Biene auf sinnbildlich verbotene Liebe und Sexualität verkörperte. Besonders in der Lyrik der frühen Neuzeit diente die Biene, Dichtern verschiedenster Epochen, als Symbol und Bildnis für kaum verhohlene sexuelle Andeutungen.
Teil 1 unseres Beitrag "Die Symbolik der Bienen" findest du hier.
Ausschnitt der Masterarbeit "Veränderungen im Zusammenleben von Mensch und Biene" von Viktoria Schmidt
Bild: Bienenstöcke des 14. Jahrhunderts