Urban Farming
Der Bienenstock aus dem Internet
In den gegenwärtigen und teilweise sehr hektischen Zeiten haben wir den Bezug zu vielen Dingen, die uns in unserem Alltag begleiten, verloren. Wir wissen nicht woher sie kommen und wie sie hergestellt werden. Die Schuhe aus China, das T-Shirt aus Bangladesch, die Äpfel aus Argentinien und selbstverständlich kommt auch der meiste Honig aus entfernten Ländern. Doch immer mehr Menschen scheinen mit ihrer gesellschaftlichen Rolle als karriereorientierte Individuen und eifrige Konsumenten unzufrieden zu sein und versuchen sich deshalb zumindest im Bereich der Ernährung auch mal als Produzenten.
In städtischen Gebieten gestaltet sich ein solches Vorhaben auf Grund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Grund und Boden schwieriger. Doch das Phänomen des „Urban Farming“ mit seinen zahlreichen Varianten zeigt, dass mit Leidenschaft und Kreativität auch diese Problematik überwunden werden kann.
Klassisches Pflanzenbeet in München
In München besteht die Möglichkeit im Gemeinschaftsgarten in unmittelbarer Nähe des Leonrodplatzes, quasi im Schatten des Olympiaturms als Urban Farmer aktiv zu werden. „O’pflanzt is“ – so nennt sich das Projekt – wurde 2011 ins Leben gerufen und sieht sich als Ausdruck elementarer Grundbedürfnisse, zu denen sie beispielsweise das Erzeugen von Nahrung sowie das Wühlen in der Erde zählen. Tatsächlich kann sich hier, wer tagsüber wild in die Tastatur des Computers tippen muss, nach Arbeitsschluss die Beete beackern und die Finger schmutzig machen.
Modernes Gärtnern in den Hallen Berlins
Das gleiche Ziel, nämlich die Produktion von Nahrungsmitteln in urbanen Gebieten, verfolgt die Initiative „Infarm“ in Berlin – allerdings mit anderen Mitteln. Hier geht es weniger darum, dass die Stadtbewohner wieder eine intensive Beziehung zu ihren Nahrungsmitteln aufbauen, sondern um die Nutzung des städtischen Raums zur Produktion von Lebensmitteln. Es geht um die Frage, wie die menschliche Versorgung auch in der Zukunft sichergestellt werden kann. Es sollen das ganze Jahr über frische, lokale Produkte in Hallen, die als Anbaufläche dienen, hergestellt werden. Es ist eine moderne Interpretation des „Urban Farming“.
Ob sich die Münchner Stadtbauern von „o’pflanzt is“ in den Berliner Hallen wohlfühlen würden, ist zumindest zu bezweifeln. Trotzdem ist die Vielfalt der Erscheinungsformen nicht nur interessant zu beobachten, sondern ein Segen für unsere Gesellschaft, weil sie verschiedene Lösungsansätze zu unterschiedlichen Fragestellungen bieten.
Oder der Bienenstock aus dem Internet
Das amerikanische Startup „Aker: print your urban farm“ will eine konkrete Hilfe für Leute, die sich ihr Obst und Gemüse selbst anbauen wollen, leisten. Angeboten werden fertige Sets aus vorgefertigten Holzbrettern, die raffiniert kombiniert beispielsweise als einfaches Pflanzenbeet, aber auch als Hühnerstall oder Kompostanlage genutzt werden können. Ebenfalls können die Designs der verschiedenen Holzkreationen runtergeladen werden, um sich anschließend die Bretter in der richtigen Form von einem computergesteuerten Fräser fertigstellen zu lassen. So kann sich jeder auch seinen eigenen Bienenstock runterladen, ihn zusammenbauen und anschließend auf das Eintreffen der fleißigen Arbeitstierchen hoffen.
Landwirtschaftliche Vielfalt in städtischen Gebieten
Die vielen, unterschiedlichen Ideen und Projekte, die in jüngster Vergangenheit entstanden sind, ermöglichen es, Tätigkeiten, die aus den Städten verschwunden waren, gerade dort wieder zu etablieren. Mittlerweile können auch Städter agrarisch tätig werden ohne über ein Anwesen auf dem Land zu verfügen. Es gibt unendlich viele Auswahlmöglichkeiten, die einen zum Stadtbauern werden lassen: klassisch ein Beet bepflanzen, in leeren Hallen gärtnern oder einen Bienenstock aus dem Internet runterladen. Schwierig ist nur die Entscheidung.
Bild: Zoey Kroll, Freeway Food Forest at Hayes Valley Farm, CC BY-SA 3.0